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Hausarztbesuch der anderen Art

Im Rahmen eines Pilotversuchs hat Isabelle Mathier, Klinische Fachspezialistin am KSW, ein dreiwöchiges Praktikum bei einem Hausarzt und interessante Erfahrungen gemacht. In Zukunft sollen Berufsleute wie sie zunehmend ärztliche Aufgaben übernehmen können – aber immer unter der Aufsicht von Fachärzten.

Seit Mitte 2016 arbeitet Isabelle Mathier am KSW als Physician Assistant (oder Klinische Fachspezialistin) an der Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Daneben besucht sie berufsbegleitend den Studiengang Master of Science in Nursing mit dem Schwerpunkt Clinical Excellence.

In dieser Konstellation konnte die Walliserin im letzten Jahr bei einem Hausarzt ein dreiwöchiges Praktikum machen. Die Idee dazu stammt von Prof. Dr. med. Stefan Breitenstein und Markus Wepf, Leiter Pflege Chirurgie. Das Duo ist überzeugt, dass auch Nicht-Ärzte ärztliche Aufgaben übernehmen können – etwa in Hausarztpraxen oder in Alters- und Pflegeheimen oder zwecks Stationsarbeit auf der Abteilung einer chirurgischen Bettenstation.

Erster Gehversuch

Für Prof. Breitenstein ist klar, dass diese Entwicklung noch am Anfang steht. «Der erste Gehversuch ist aber positiv verlaufen», sagt er. Wepf ergänzt, dass das KSW klinisch interessierten Pflegenden und Mitarbeitenden aus anderen Gesundheitsberufen neue Perspektiven bieten wolle.

«So werden diese Berufe aufgewertet und bieten eine Perspektive.»

Der Probelauf von Isabelle Mathier habe aber auch gezeigt, dass in der Ausbildung noch Lücken beständen und mehr auf die körperliche Untersuchung und auf die Interpretation von Röntgenbildern geachtet werden müsse.

Isabelle Mathier absolvierte das Praktikum bei Dr. med. Peter Ritzmann, der in Feuerthalen bei Schaffhausen einer Gemeinschaftspraxis mit vier Hausärzten angehört und auch als ihr ärztlicher Mentor in der Ausbildung fungiert. Von ihrem Wohnort Zürich aus pendelte Mathier vom 25. September bis am 13. Oktober 2017 täglich zu ihrem temporären Arbeitsort und schaute dem erfahrenen Hausarzt über die Schulter. Um 8 Uhr kamen die ersten Patienten, rund eineinhalb Stunden brauchte sie für den Arbeitsweg. Früh aufstehen war also an der Tagesordnung.

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Das Spital bleibt Hauptarbeitsort der Klinischen Fachspezialistin – Isabelle Mathier im KSW.

Schnell eingelebt

«In der ersten Woche habe ich Dr. Ritzmann vor allem begleitet und beobachtet», sagte Mathier im Gespräch. Sie habe viel profitiert und schnell eine Routine entwickelt, sodass sie in der zweiten Woche schon unterstützend wirken und zusammen mit dem Arzt Patienten behandeln konnte. «Und in der dritten Woche habe ich mich um einfachere Fälle wie Halsweh, Husten, Erkältungen oder grippale Infekte fast selbstständig gekümmert», gibt die Klinische Fachspezialistin zu Protokoll. Dr. Peter Ritzmann sagt dazu: «Da es für Isabelle wie auch für uns eine völlig neue Situation war, hat sie ihre Aufgaben immer in Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt aus der Praxis angegangen. Wir waren beeindruckt von ihrem medizinischen Wissen, mit dem sie die Probleme der Patienten und Patientinnen aufgenommen und beurteilt hat.»

Aber auch mit Patienten, die an Bauch-, Hüft- oder Schulterschmerzen litten, hatte die Praktikantin direkt zu tun. Ausserdem entfernte sie Fäden, mass den Blutdruck, führte EKGs und Blutentnahmen durch und konnte so auch die Medizinischen Praxisassistentinnen entlasten, die einen hohen Arbeitsaufwand zu bewältigen hatten. Am besten gefiel ihr am Hausarztpraktikum der direkte Kontakt mit den Patientinnen und Patienten.

«Ich habe in diesen drei Wochen fast alle Mitglieder einer Familie kennengelernt.»

Schön fand sie auch, dass sie ein offenes Ohr für die persönlichen Sorgen der Patienten haben konnte: Eine Patientin zum Beispiel sorgte sich um ihren Sohn, weil dieser angefangen hatte, THC zu konsumieren. «Diese beratende Funktion gefiel mir sehr gut. Ich sah es auch als Bestätigung für meine Rolle.»

Die drei Wochen hätten ihr viel gebracht. «Das Praktikum beim Hausarzt war für mich vielfältig, abwechslungsreich, komplex und spannend.» Für ein gutes Gelingen brauche es ein intensives Coaching durch den betreuenden Arzt, was in Feuerthalen absolut gewährleistet gewesen sei. Auf diese Weise sei ein solches Praktikum sehr sinnvoll.

«Am meisten profitiert habe ich vom klinischen Assessment, also Anamnese, Untersuchung usw.»

Rasch merkte Mathier etwa, bei welchen Halsschmerzen ein Abstrich nötig ist. «Das unglaublich breite Wissen des Hausarztes und die Bereitschaft, dieses Wissen stets an mich weiterzugeben, haben mich sehr fasziniert.»

Patientinnen und Patienten aufklären

Auch bei den Patienten kam die erfahrene Pflegefachfrau vom KSW gut an. Bevor Mathier sich der Patienten annahm, waren diese über die Konstellation informiert worden. Wie Ritzmann ausführt, haben die Medizinischen Praxisassistentinnen den Patientinnen und Patienten erklärt, wieso eine Klinische Fachspezialistin ärztliche Aufgaben übernimmt. «Sie haben diese Herausforderung aber dank ihres guten Drahts zu vielen unserer Klienten gut gemeistert.»

«Ich wurde ernst genommen, auch wenn ich vom pflegerischen Bereich her komme.»

Viele erkundigten sich nach ihrer Aufgabe beim Hausarzt und fanden das Modell sehr sinnvoll. Einige Patienten konnten aufgrund der Anwesenheit von Isabelle Mathier einen Termin in der Praxis ergattern, obwohl die Sprechstunde eigentlich ausgebucht war. Doch Dr. Ritzmann befand sich natürlich immer in der Nähe und wäre in einem Notfall sofort zur Stelle gewesen.

Laut Mathier fördert diese Zusammenarbeit das gegenseitige Verständnis zwischen dem Hausarzt als Zuweiser und Nachbetreuer sowie dem KSW. So zum Beispiel bezüglich der Austrittsberichte. Für den Hausarzt sei vor allem das Prozedere wichtig, somit könne er auf einen Blick erkennen, was in der Sprechstunde Priorität hat. Noch stecke vieles in den Kinderschuhen, und es gehe darum, erste Erfahrungen zu sammeln.

Für Ritzmann haben die ärztlichen Aufgaben in einer Hausarztpraxis und auf einer Spitalabteilung zwar Gemeinsamkeiten, aber doch auch Unterschiede. «Die Ausbildungsgänge, die Klinische Fachspezialistinnen für die Übernahme von hausärztlichen Aufgaben vorbereiten, müssen erst noch geschaffen werden», sagt er. Dafür brauche es eine gute Zusammenarbeit von Fachhochschule, Spital und Arztpraxis.

«Aber gerade für Hausärzte kann es von Vorteil sein, zur Entlastung eine Klinische Fachspezialistin anzustellen», erklärt Isabelle Mathier. Auf diese Weise liessen sich mehr Patienten betreuen. Das sei besonders in ländlichen Gegenden interessant, wo es immer weniger Hausärzte gebe, die kaum noch neue Patienten aufnehmen könnten.

Ritzmann warnt indessen vor verfrühter Euphorie: «Neben einer praxisorientierten Ausbildung braucht es auch eine Lösung, wie die Arbeit von Klinischen Fachspezialistinnen abgerechnet werden kann. Wenn dies geregelt werden kann, sieht er aber durchaus grosse Chancen in der zukünftigen Mitarbeit von so engagierten Pflegefachpersonen wie Isabelle Mathier in einer modernen Hausarztpraxis.

Win-win-Situation

Prof. Stefan Breitenstein und Markus Wepf bestätigen diese Aussagen. Dieses Projekt sei ein Ansatz, um das Gesundheitswesen weiterzuentwickeln. Laut Wepf gibt es zwei Möglichkeiten.

«Entweder sind die Klinischen Fachspezialisten am KSW angestellt und werden bei Hausärzten eingesetzt, um Engpässe zu überbrücken. Oder sie werden direkt von einer Hausarztpraxis angestellt.»

Als weitere Einsatzgebiete für Physician Assistants/Klinische Fachspezialisten sind alle medizinischen Fachrichtungen denkbar. Auch der allgemeinärztliche Notfalldienst könnte in Frage kommen, weil sich dafür immer weniger Hausärzte finden lassen. Wichtig ist, wie Breitenstein betont, dass die ärztlichen Leistungen der Klinischen Fachspezialisten stets unter ärztlicher Aufsicht (Delegation) erbracht werden.

So wäre es auch, wenn das KSW beim Notfalldienst Ärztefon, das in der Region 2019 starten soll, mitmachen würde. Das Spital bewirbt sich mit einer Versorgungsequipe um die Teilnahme. «Zurzeit finden Sondierungsgespräche statt», sagt Breitenstein. Einem solchen Team würden auch Klinische Fachspezialisten angehören, die je nach Schwere eines Falls auch alleine unterwegs wären – aber immer mit Fachärzten des KSW in Verbindung ständen. Eine klassische Win-win-Situation.

Gelungene Premiere und zweite Auflage

Zusammen mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat das KSW im letzten Jahr zum ersten Mal einen Ausbildungslehrgang angeboten, bei dem Praxis mit Theorie verbunden wird. 17 Frauen und 1 Mann haben zwischen Februar und Dezember 2017 an der ZHAW den CAS zur Klinischen Fachspezialistin beziehungsweise zum Klinischen Fachspezialisten erfolgreich abgeschlossen und dabei am KSW am gleichnamigen Projekt teilgenommen.

Aufgrund der guten Erfahrungen bei der ersten Austragung findet dieses Jahr schon die zweite Auflage statt. Der Start zum zweiten Lehrgang mit maximal 24 Teilnehmenden ist am 2. Februar erfolgt. Wie ZHAW-Studienleiterin Anita Manser Bonnard auf Aufrage sagt, haben sich der grundsätzliche Aufbau und die Struktur des Kurses bewährt.

«Zwar wird es zu einigen Optimierungen in den Abläufen kommen, doch der CAS hat die Erwartungen der Teilnehmenden erfüllt.»

Das Konzept des Flipped Classroom (individuelle Stoffvorbereitung zu Hause) im Modul 1 war für die Dozierenden und Teilnehmer neu, da müsse noch etwas mehr erklärt und strukturiert werden. Eine leichte Anpassung erfahren auch die Unterrichtszeiten. Und manchmal sei das Niveau in den medizinischen Fächern zu hoch und der Stoff zu umfangreich gewesen. Gewisse Themen sollen neu im CAS 2 vertieft werden. Laut Manser Bonnard ist geplant, in Zukunft einen Master in Advanced Studies (MAS) anzubieten.

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