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Dampfende Nikotin-Illusion

Rauchen ist ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen und verschiedene Krebsarten. In der Schweiz liegt der Raucheranteil seit Jahren bei rund 20%. Um vom Rauchen wegzukommen, gibt es verschiedene Methoden und Hilfsmittel. Eine neue Studie aus Grossbritannien zeigt nun auf, dass der Rauchstopp mit E-Zigaretten besser gelingen soll als mit Nikotinersatzprodukten wie Pflaster oder Kaugummi. 18% der Teilnehmer schafften den längerfristigen Ausstieg mit Hilfe von E-Zigaretten, während es bei den Teilnehmern, die Nikotinersatzprodukte verwendeten, 10% waren. Der Einsatz von E-Zigaretten ist umstritten.

Was halten Sie von dieser Studie? Sollen jetzt bei der Rauchentwöhnung nur noch E-Zigaretten eingesetzt werden?

Ganz klar: Nein. E-Zigaretten und die Flüssigkeiten (E-Liquide) sind nicht als Medikamente registriert. E-Zigaretten und E-Liquide als Rauchstopphilfe zu empfehlen, ist daher medizinisch und juristisch sehr heikel. In dieser Studie wurden E-Zigaretten mit Nikotinersatzprodukten verglichen. Dabei war die Erfolgsrate bei beiden Strategien schlechter als die bisher bekannten Erfolgsraten bei der Anwendung der beiden registrierten nikotinfreien Medikamente Bupropion und Vareniclin. Mit diesen sind Erfolgsraten von 20 bis 33% belegt, wenn sie mit einer ärztlichen Beratung kombiniert werden. Im Unterschied zum Einsatz der E-Zigarette ist der Rauchstopp mit den beiden genannten Medikamenten ein Rauchstopp, der mit einem Nikotinstopp einhergeht. Das heisst, das Suchtmittel wird nicht mehr zugeführt. Das eigentliche Ziel einer Tabakentwöhnungsbehandlung ist die Rauch- und Nikotinfreiheit. Alles andere ist nur ein Kompromiss.

Wie beurteilen Sie andere Methoden zum Rauchstopp wie den «kalten Entzug» oder den Wechsel zum Oraltabak Snus?

Die sogenannte Schlusspunktmethode, also der abrupte Rauchstopp ohne medikamentöse Unterstützung, funktioniert bei einigen Personen sehr gut. Rund ein Fünftel der Patienten hat bei dieser Methode praktisch keine Entzugserscheinungen. Wer aber von früheren Rauchstoppversuchen weiss, dass er zu starken Entzugserscheinungen neigt, dem empfehle ich die zusätzliche medikamentöse Unterstützung und eine regelmässige Beratung. Snus hingegen ist nicht für den Rauchstopp geeignet. Das wäre bloss ein Wechsel von einem nikotinhaltigen Produkt zu einem anderen. Hier haben wir nicht genügend wissenschaftliche Daten dazu, ob das längerfristig aus gesundheitlicher Sicht erfolgversprechend ist.

Laut der Studie haben 80% der Teilnehmer, die mit Rauchen aufgehört haben, nicht den Nikotinentzug geschafft, sondern Zigaretten durch E-Zigaretten ersetzt. Wie beurteilen Sie das?

Die sogenannten Dampfer haben zwar den Rauchstopp geschafft, aber nicht den Nikotinentzug. Das schmälert den Erfolg wesentlich. Ob sie zu einem späteren Zeitpunkt auch mit dem Dampfen aufhören, wissen wir nicht. Das wurde in dieser Studie auch nicht geklärt, dazu war die Beobachtungszeit zu kurz. Bis vor wenigen Jahren war ein Rauchstopp immer auch ein Nikotinstopp nach einer Phase der Nikotinzufuhr über Ersatzprodukte für wenige Wochen oder Monate. Weniger als 5% der Personen, die mit dem Rauchen aufhören konnten, aber Nikotinersatzprodukte konsumierten, blieben davon abhängig. Bei der E-Zigarette hingegen ist es ganz anders. Der Konsument bleibt in der Regel nach dem Rauchstopp für eine gewisse Zeit nikotinabhängig, und ein relevanter Teil der Anwender erfährt einen Rückfall zur normalen Zigarette oder konsumiert beide nikotinhaltigen Produkte. Die Studie zeigt somit, dass etwa ein Fünftel der Teilnehmenden zwar das Rauchen lassen konnte, aber weiterhin Nikotin konsumierte und somit aus meiner Sicht hochgradig rückfallgefährdet blieb.

Welche Rolle spielt der Faktor Gewohnheit?

Die Gewohnheit, Nikotin zu konsumieren, fällt stark ins Gewicht beim Rauchstopp und beim Rückfall. Generell ist es so, dass es gewisse Momente oder «Trigger»-Situationen gibt, die stark mit dem Rauchen oder Nikotinkonsum bzw. dem dadurch erzeugten Belohnungsgefühl assoziiert sind. Diese Momente sind zu beachten, wenn es um den Ausstieg geht, weil dann die Rückfallgefahr am grössten ist. Das gehört zu den Themen, die in einem Rauchstopp-Beratungsgespräch besprochen werden. Die kurzwirksamen Nikotinersatzprodukte, z.B. Nikotin-Lutschtabletten oder Nikotin-Inhaler, sind weniger «attraktiv» und dienen mehr der Überbrückung einer Situation, in der man Entzugssymptome hat oder starke Lust verspürt, eine Zigarette zu rauchen.

Welches Vorgehen ist ausstiegswilligen Rauchern zu empfehlen? Rauchstopp mit E-Zigarette, Nikotinersatzprodukte oder andere Methoden?

Aufhörwilligen Rauchenden empfehle ich eine Kombination aus Fachberatung und medikamentöser Unterstützung des Rauchstopp-Prozesses. Dabei kommen nikotinhaltige oder nikotinfreie Medikamente in Frage, wobei die Kombination von zwei Produkten meist höhere Erfolgsraten aufweist. Als Ärzte sollten wir nur anerkannte Therapien und registrierte Medikamente oder Medizinalprodukte, wie den Inhaler mit Nikotinpatrone, empfehlen. Trotz dieser interessanten Studie würde ich die ärztliche Empfehlung, den Rauchstopp durch den Umstieg auf die E-Zigarette anzugehen, als Verletzung der Sorgfaltspflicht einstufen. Oft braucht es für einen nachhaltigen Rauchstopp mehrere Anläufe.

E-Zigaretten können auch mit nikotinfreien Liquids gefüllt werden. Als wie gross schätzen Sie die gesundheitsschädigenden Folgen der verwendeten Chemikalien ein?

Gut zwei Drittel der konsumierten Liquids sind nikotinhaltig. Zudem gibt es eine bedeutende Zahl von Konsumenten, die ihre Liquids selbst mischen. Welche Effekte diese Mischungen haben, wissen wir nicht. Tierversuche und einige Studien am Menschen zeigten aber, dass auch das Aerosol der E-Zigaretten das Gewebe in den Bronchien und Lungenbläschen krankhaft verändert, besonders, wenn gewisse Aromastoffe verwendet werden. E-Zigaretten haben also bei den Rauchentwöhnungsversuchen nicht nur geringere Erfolgsraten als nikotinfreie Rauchstopp-Medikamente – sondern man läuft auch eine gewisse Gefahr, dass man bisher zu wenig erforschte Langzeitschäden erlebt. Insofern ist das ein Experiment, quasi ein Selbstversuch.

Pneumologie
Die Klinik für Pneumologie ist auf die Abklärung und Behandlung von Lungenkrankheiten und Atemwegserkrankungen spezialisiert.
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