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Anatomie als 3-D-Modell

In der Medizin hat die Innovation einen hohen Stellenwert. Der Fortschritt kann Leben retten oder verlängern, Schmerzen verringern oder deren Dauer verkürzen. Einen kleinen Beitrag dazu leisten 3-D-Modelle von Becken-, Arm- und Beinknochen, mit deren Hilfe Operationen vorbereitet werden können. Die damit verbundenen Vorteile für die Patientinnen und Patienten sind nicht zu unterschätzen. Im deutschsprachigen Raum gibt es noch nicht viele Spitäler mit einem 3-D-Drucker für den klinischen Betrieb, das KSW ist eines von ihnen.

Was immer noch etwas an den Film «Back to the Future» mit Michael J. Fox aus dem Jahr 1985 erinnert, ist heutzutage ein weitverbreitetes Verfahren. Der dreidimensionale Druck hat es schon bis in die Privathaushalte geschafft. Auf den Markt gekommen ist der erste Drucker zwar schon 1988, doch damals waren die Geräte, wie das bei Neuentwicklungen immer der Fall ist, sehr teuer und steckten technisch noch in den Kinderschuhen. Am KSW steht seit Oktober 2018 ein solches Gerät im Institut für Radiologie und Nuklearmedizin. Rund einen Monat später wurde es nach einer kurzen Testphase in Betrieb genommen.

Massstabsgetreue Modelle

Mit diesem 3-D-Drucker der Marke Ultimaker lassen sich mit Computertomographiedaten der Patienten massstabsgetreue Modelle von verletzten Knochen, vor allem Becken-, Arm- und Oberschenkelknochen, herstellen. Laut Dr. med. Valentin Fretz, Leitender Arzt Computertomographie, gibt es Studien, die besagen, dass in bestimmten Situationen die Operationsdauer verkürzt wird oder der Blutverlust geringer ist, wenn man vor dem Eingriff ein 3-D-Modell beigezogen hat. Nun wird aber nicht einfach von jedem gebrochenen Knochen ein Modell gedruckt. «Der 3-D-Druck muss bereits für die Therapieplanung für Operateur und Patient einen klinischen Vorteil versprechen, sonst bringt er nichts», sagt Dr. med. Valentin Fretz.

Ob ein Modell des Beckens hergestellt wird oder nicht, entscheidet der behandelnde Arzt. Beraten lassen kann er sich von Dr. med. Valentin Fretz oder von David-Emanuel Kessler, Assistenzarzt am Institut für Radiologie und Nuklearmedizin. In einem solchen Gespräch wird der Bedarf abgeklärt und werden die technischen Möglichkeiten sowie der Nutzen aufgezeigt. Für die technische Umsetzung, also für das eigentliche Drucken, und für die Auslieferung ist dann David-Emanuel Kessler zuständig.

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Prof. Dr. med. Christoph Meier erklärt einer Patientin, wo sie am Becken operiert wurde.

Abbildung der Realität

Als Basis für die Modellproduktion dienen immer die individuellen Daten einer Computertomographie des Patienten. Die Visualisierung des jeweiligen konkreten Falls könne für die Patienten psychologisch wichtig sein, sagt Dr. med. Valentin Fretz. «Ein Modell dient der Veranschaulichung und kann in die Hand genommen werden. Es kann auch die Besprechung mit dem Operateur wesentlich erleichtern.» David-Emanuel Kessler doppelt nach: «Wir bilden die reelle Fraktur ab, die Realität.» Ein 3-D-Modell könne in der Kommunikation mit dem Patienten eine wichtige Rolle spielen, weil man aufzeigen könne, welches Problem vorliegt und wie man es lösen will. Dadurch lasse sich die konkrete Situation sehr leicht haptisch und visuell erfassen. Selbst für David-Emanuel Kessler ist es jedes Mal wieder faszinierend, wenn er ein neues Modell in der Hand hält. Für den Operateur selbst habe das Verfahren Vorteile bei der OP-Planung, weil er etwa Metallplatten schon am 3-D-Modell individuell exakt anpassen oder Ausrichtung, Stärke und Länge von Schrauben abschätzen könne. «Der Operateur hat auch einen viel konkreteren Plan bei der Operation, wenn er sich die Situation am Modell vergegenwärtigt hat.» Ausserdem lässt sich mit einem Becken aus Plastik ein Fall auf Kongressen besser veranschaulichen. Auch in der Ausbildung von Assistenzärzten können die Modelle zum Einsatz kommen, weil man mit ihnen sehr gut Fälle präsentieren kann. Am häufigsten finden solche Modelle in der Traumatologie und in der orthopädischen Tumorchirurgie Verwendung.

Innert zwölf Stunden gedruckt

Das Druckgerät verfügt über zwei Druckköpfe, so dass auch zweifarbig oder mit zwei Materialien gedruckt werden könnte. Wie David-Emanuel Kessler sagt, könnten so zum Beispiel auch noch Tumoren abgebildet werden. Dieses Druckverfahren sei aber sehr aufwendig. «In der Regel drucken wir einfarbig.» Dabei wird das Material Polylactide (PLA) verwendet, umgangssprachlich Polymilchsäure genannt. Das Druckmaterial sind Plastikschläuche, die bei 230 Grad Celsius geschmolzen und in Form gebracht werden. Der Druckvorgang erfolgt recht zügig. Für ein Becken, eins der grössten Modelle, die am KSW hergestellt werden, braucht die Maschine rund zwölf Stunden. Ab dem Bestellzeitpunkt dauert es rund 24 Stunden, bis das Produkt fertig und ausgeliefert ist – schnell und aus einer Hand. Druckbeginn ist aus Rücksicht auf die Bürokollegen meist gegen Abend, so dass die 3-D-Modelle hauptsächlich in der Nacht entstehen. Denn der Druckprozess ist etwas lauter als bei einem herkömmlichen Drucker.

Das KSW ist im deutschsprachigen Raum eines von wenigen Spitälern, die einen eigenen 3-D-Drucker für den klinischen Betrieb haben. Wenn man einen solchen Auftrag auswärts vergäbe, würde es zwei bis vier Wochen dauern, bis man das fertige Modell in den Händen halten könnte. «Das wäre natürlich nicht praktikabel», erklärt David-Emanuel Kessler. Die Herstellung mit einem eigenen Drucker habe zudem den Vorteil, dass sie günstiger sei. Beim Druckvorgang wächst das Modell quasi von unten nach oben, bis zu 600 Schichten hoch. Im Falle eines Beckens muss David-Emanuel Kessler am Computer Stützteile einfügen, damit das Plastikmodell stabil steht und nicht umkippt.

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Der 3-D-Drucker kann fast jeden Gegenstand abbilden.

Nutzen für  Patientinnen und Patienten

Am häufigsten werden Modelle von Becken bestellt, weil dort Frakturen sehr komplex sein können und die Vorteile der dreidimensionalen Ansicht sehr gross sind. Bei komplexen Fällen versuche man, die Kollegen zu ermutigen, ein dreidimensionales Modell beizuziehen, damit sie selbst herausfinden können, wo die Vorteile liegen. «Aber ein 3-D-Modell ist immer ein zusätzliches Tool», sagt der Assistenzarzt. Laut David-Emanuel Kessler belegen Studien, dass die postoperativen Ergebnisse durch die Verwendung eines 3-D-Modells in bestimmten Fällen optimiert werden können. Es liege dann also ein klarer Nutzen für die Patienten vor.

«Besseres Verständnis»

«Wir sind vor allem an 3-D-Modellen von komplexen Beckenfrakturen interessiert und haben auch schon mehrmals solche Modelle herstellen lassen. Diese Modelle in Originalgrösse ermöglichen es uns, schwierige Frakturverläufe besser zu verstehen und die Operationsplanung zu optimieren. Zudem können bereits am Modell zum Teil Schrauben individuell angepasst und dann für die eigentliche Operation sterilisiert werden, so dass sie implantiert werden können. Mit einer deutlichen Zunahme dieser 3-D-Drucke ist auch in unserem Fachgebiet zu rechnen.» Prof. Dr. med. Christoph Meier Chefarzt Orthopädie/Traumatologie

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