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Dienstag
10
April 2018

Wir erleben Quantensprünge in der Neurochirurgie

Prof. Alex Alfieri stellt neueste Operationstechniken in der Hirn- und Wirbelsäulenchirurgie vor und erläutert, wie wichtig Zweitmeinungen vor operativen Eingriffen sind.

Prof. Alfieri, schweizweit hat sich das Kantonsspital Winterthur durch seine neurochirurgische Abteilung einen Ruf gemacht. Wodurch in erster Linie?

Unsere Klinik für Neurochirurgie hat sich auf die operative Behandlung von Erkrankungen des zentralen und des peripheren Nervensystems spezialisiert. Hierbei richten wir den Fokus auf die Mikrochirurgie, die den neuesten technischen Standards entspricht. Wichtig ist uns zudem unsere patientenzentrierte Philosophie. Denn die von uns betreuten Patienten werden im Sinne einer personalisierten Medizin biperspektivisch evaluiert und behandelt.

Ein festes Standbein sind operative Eingriffe im Kopf. Gibt es hier eine neue erfolgversprechende Methode?

Ein Grossteil aller Operationen basiert heute bereits auf minimal-invasiven, mikrochirurgischen und navigationsgesteuerten Operationstechniken. Eine besonders vielversprechende Technik ist die Endoskopie, die heute zunehmend mit der Robotik gekoppelt wird. Beispiel Hydrozephalus, eine Erkrankung, bei der sich zu viel Nervenwasser im Gehirn ansammelt. Lange Zeit hat man in der Therapie ein Implantat gelegt, worüber das Nervenwasser in den Bauchraum abfliessen konnte. Jedoch musste dies ein Leben lang im Körper bleiben. Mit der Endoskopie ist das anders: Mittels eines kleinen Lochs in der Mitte des Gehirns kann sich das Nervenwasser seinen eigenen Weg bahnen und sich der Wasserüberschuss von selbst regulieren – ohne Einsatz eines Implantats. Die Methodik wird auch für Hirntumore eingesetzt.

Was hat sich bei der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen zuletzt getan?

Hier hat sich die Technik immens verfeinert und ist nun viel ausgereifter. Heute werden minimalinvasive OPs mit kleinen Kameras oder mit Endoskopen auch bei Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalstenosen durchgeführt. Dies hat dazu geführt, dass die Wirbelsäulen-OP zur absoluten Routine geworden ist, die Ergebnisse zufriedenstellender geworden und die Komplikationsraten gesunken sind. Mittels Dekompressionen, Stabilisierungen mit Implantaten und Korrekturen therapieren wir degenerative Erkrankungen, Traumata, Entzündungen oder auch Tumorerkrankungen.

Wonach entscheiden Sie, ob ein Bandscheibenvorfall operiert werden sollte oder besser nicht?

Entscheidend ist die Indikation, die auf der Vorgeschichte der neurologischen Untersuchung basiert. Ebenso wird die bildgebende Diagnostik einbezogen, wozu MRI, CT und Röntgen, genauso wie die Elektromyografie und die Elektroneurografie zählen. Die Ergebnisse dieser Faktoren, die den neuesten Forschungserkenntnissen und den internationalen Leitlinien entsprechen, geben den Ausschlag für eine operative Indikation. Nur dieser Weg ist in meinen Augen seriös. Lediglich circa zehn bis 20 Prozent aller Patienten mit Rückenschmerzen werden bei uns letztlich operiert.

Sie bieten neben einem Gutachterservice ebenso unabhängige Zweitmeinungen. Wann raten Sie dazu, diese einzuholen?

Eine operative Behandlung der Wirbelsäule setzt ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Mediziner voraus. Mein Rat ist daher, immer dann eine unabhängige Zweitmeinung einzuholen, wenn eine operative Indikation gegeben ist. Wir im Kantonsspital Winterthur wollen, dass die Gesundheitsrate in der Bevölkerung steigt und nicht die Operationsrate. Deshalb operieren wir nur, wenn die konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind und es keine Alternativen gibt. Ausnahme bei Lähmungen: Hier muss natürlich innerhalb von Stunden gehandelt werden.

Sie sind dabei, am Kantonsspital Winterthur ein Rückenzentrum aufzubauen. Was ist das Besondere daran?

Wir haben dieses Kompetenzzentrum für Patienten und zuweisende Ärzte als spezialisierte Anlaufstelle für die Abklärung und Behandlung aller Arten von Rückenleiden ins Leben gerufen. Das Besondere an unserem Rückenzentrum ist das multidisziplinäre Team, dem Rheumatologen, Anästhesisten, Neurochirurgen, Schmerztherapeuten, Radiologen, Neurologen, Orthopäden, Traumatologen, aber auch Psychologen und Physiotherapeuten angehören. Alle Fachärzte finden sich einmal pro Woche in unserem sogenannten Rückenboard zusammen, in dem sie ein Konzept erstellen, um die Rückenbeschwerden der Patienten zu lindern – ein grosser Aufwand für die Fachärzte, aber ein gewaltiger Vorteil für unsere Patienten.